Wieder hell - the overnight experience!
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Wieder hell - the overnight experience!


Overnight Fahrten sind ein richtiges Abenteuer und bergen eine Vielfalt an Möglichkeiten in sich, die eigenen Stärken kennen zu lernen. Es hat mitunter etwas Magisches, wie sich das Führungsverhalten von SKiPA oder Wachführer verändern kann, und welche Kommunikations-mechanismen vorrangig werden. Es sind erhebende Momente wenn man die Wärme der ersten Sonnenstrahlen wieder spüren kann. Das Licht eines Sonnenaufgangs ist anders als die sundowner Kulisse bei einem Gin Tonic. Durch die Nacht in den nächsten Tag hineinsegeln bedeutet auch, etwas erlebt zu haben, was die Mehrheit der SeglerInnen nicht im Erfahrungsportfolio hat.

SAFETY ALWAYS FIRST - CHECK IT!

Damit das Abenteuer auch nachhaltig positiv wirken kann, sind einige Aspekte zu beachten. Sowohl was das Segeln an sich betrifft als auch die Führungsarbeit mit der Crew und sich selbst in der Funktion als SKiPA. Wenn es tagsüber schon wichtig ist, möglichst alle Sicherheitsrelevanten Themen zu beachten und umzusetzen, dann ist dieser Aspekt nachts noch um ein Vielfaches höher. Sowohl Crewführung als auch Bootsbeherrschung haben die erhöhte Sicherheitsthematik gemeinsam, aber betrachten wir Beides erstmal getrennt voneinander.

LEADING - the passage plan

Die sichere overnight passage beginnt bereits in der Planung. "The passage plan - PP" wie es in der RYA heißt, liefert (sofern akkurat ausgearbeitet) einen gewichtigen Beitrag dazu.

SKiPA kann sich hier bereits entscheidende Erleichterung in allen Bereichen des Törns beschaffen. Die Regel lautet: "Was man sich im Vorhinein erarbeitet, ist die breite Basis für die Entscheidungen die man treffen muss." Was erstmal banal und logisch wirkt, wird in herausfordernden Situationen zu einem extrem wichtigen Hilfsmittel, um schnell und richtig zu entscheiden. Wenn man zu jedem Zeitpunkt der Route weiß wo man genau ist, und welche Möglichkeiten es im Fall des Falles gibt, z.Bsp. in einen sicheren Hafen zu gelangen, und wie lange es bis dort hin braucht, kann das eine Basis dafür sein, zu jedem Zeitpunkt des Törns die nötige Ruhe auszustrahlen - die brauchen alle an Bord!

Crewauswahl - nicht jeder ist geeignet für eine Nachtfahrt von Sonnenuntergang bis -aufgang. Auch das ist Teil eines erfolgreichen PP: Welche Mindestanforderungen müssen an die Crewmembers gestellt werden. Neugierde und eine Portion Mut sind schon wichtig, aber wie sieht es mit den Fähigkeiten der Navigation aus, und mit der Energie über einige Zeit als Ausguck konzentriert in die Nacht zu schauen? Wichtige Fragen auf deren Antwort sich alle an Bord verlassen dürfen müssen.

Communication on the job! - "Guten Morgen"

Eine Nacht kann schon mal kalt werden, und zwei Stunden Wache seeehr langsam vergehen. Wie gut tut es dann, wenn die Ablösung kommt, UND ein freundliches: "Guten Morgen"

Zwei Worte in einer freundlichen Haltung ausgesprochen können Wunder bewirken. Mitten am Atlantik, hab ich genau das Gegenteil erlebt. In der dritten Nacht gegen 3 Uhr morgens als wir bereits in den 4. Tag mit durchgängig 7 Bft mit entsprechenden Wellenhöhen, eintauchten.... hörte ich von der Ablöse nur: " Oida, so a schaß hert des nie auf..., und du darfst jetzt schlafen gehen - oarsch!" Ich dachte erst an einen Scherz, war es aber nicht. Dies hatte eine furchtbare Wirkung auf mich zu diesem Zeitpunkt und im Laufe der nächsten Zeit, auf die gesamte Crew - aber das ist eine andere Geschichte.

Die Vorbereitung mit der Crew zu einem overnight Törn muss von einem noch deutlicheren Leading des SKiPAs gekennzeichnet sein: > Es muss mehr besprochen werden, > die aufgestellten Prinzipien und Regeln sind unabdingbar

> diese müssen auf das genaueste eingehalten werden.

Es darf keine Diskussion aufkommen ab wann man die Lifewest anzieht, und wann man sich in die Sicherheitsleinen einklickt. Im Leadership Training kennen wir denn Begriff "Führung muss führen!" auch das klingt logisch und einfach. Wenn man sich das Gegenteil betrachtet, wie viele Arten der "Nichtführung" es gibt macht es wieder Sinn. Sich nicht einzuklicken weil man eh nur ganz kurz ins Cockpit steigt und die Trinkflasche schnappt, wurde einem Crewmember beinahe zum Verhängnis. Eine Welle später sah er sich in der Netzreling hängen. In der rechten Hand die Trinkflasche, in der anderen die der Wachführerin, die ihn gerade noch zu fassen bekam. Das Problem das sich für den Skipper ergab, war unter anderem auch der eigene Schlafentzug. Er konnte nicht mehr richtig entspannen, weil er seiner Crew nach diesem Erlebnis nicht mehr 100% vertrauen konnte. Mitten in der Nacht "all hands on deck" für eine erneute Sicherheitseinweisung, war und ist keine Lösung. Führung muss vorher, bei der ersten online Besprechung und/oder vor dem Ablegen, mit aller Konsequenz und unmissverständlich klar darlegen, welche unumgänglichen Prinzipien umgesetzt werden. No way out of this!

Morning has broken...

Ich werde diesen Moment nicht vergessen, als am Ende meiner ersten durchsegelten Nacht aus dem Bordlautsprecher "Mornig has broken" und "Sailing" nacheinander schallten - und an Backbord ging die Sonne auf. Unbezahlbar! (Das Video ist nicht dieser Moment der spielte im Altantik - hier: Kroatien an Backbord Palagruza im Sonnenaufgang)

Mein Gedanke dazu: "Wir sind gut durch die Nacht gekommen." "Was ist gutgelaufen? Was braucht es neben all den Sicherheitsfeatures um gut durch die Nacht zu kommen?" Der Coach in mir stellt sich sofort diese prinzipiellen Fragen.

Sicherheit - ein Gefühl

Man kann es drehen und wenden wie man will, solange man nicht eine gefühlte Sicherheit hat, läuft die Sache nicht rund. Alle! Alle Crewmitglieder brauchen ein maximales Gefühl von Sicherheit, bei jedem Menschen entsteht dies anders, jeder hat dazu einen anderen Zugang weil auch jeder zum Thema Sicherheit unterschiedliche Bedürfnisse hat - siehe dazu auch 4MAT>> vier unterschiedliche Wege zu wirken.

Handhabbarkeit

Jedes Crewmitglied muss sich in seiner Arbeit am Schiff, in einem für sich selbst möglichst kontrollierbaren Bereich bewegen. Ist man ständig am Anschlag mit den eigenen Fähigkeiten fällt dieses Gefühl der Kontrollierbarkeit weg (das ist übrigens die beste Basis dafür Seekrank zu sein/werden.

Dazu in einem anderen Blogbeitrag mehr - very soon. Dann ist auch das Lernen nicht mehr wirklich möglich, und das wiederum verringert noch mal die gefühlte Kontrolle - ein Teufelskreis. Wie wichtig das sein kann, hab ich mehrmals selbst erfahren dürfen. Als ich das erste Mal während der Wache das 75 m lange Schiff steuerte, und somit einen Teil der Verantwortung für 60 Menschen hatte, war mir doch etwas flau im Magen. Die Schönheit des Sonnenuntergangs (Bild ) mitten im Ärmelkanal, konnte ich nicht wirklich erfassen. Der erfahrener Steuermann stand mir mit Rat und Tat zur Seite, und gab mir den nötigen Respekt und Wertschätzung, um in meine Lernenergie zu kommen bzw. zu bleiben. Die Auswirkung - absolutes Zutrauen zu mir selbst und entsprechende Leistung, sodass ich sehr oft ans Ruder stand und auch schwierige Halsen fahren durfte.

Ausrüstung

Ohne rot leuchtender Stirnlampe in die Nacht zu gehen, geht selten gut. Das Verwenden von Rotlicht verringert die Reize, und lässt das Gehirn die Wahrnehmungen besser verarbeiten. Gut gemeint ist das Ausleihen der eigenen Lampe vom Mitglied der anderen Wache - gut gemeint ist das Gegenteil von Gut.

Es ist absolut wichtig die eigenen Ausrüstungsgegen-stände zu haben, man bedenke nur es gäbe ein all hands an Deck... das kostet Zeit und Nerven, wenn nicht alle, alles schnell parat haben.

Kleidung - mehr ist mehr! Auch die wärmste Nacht kann kalt werden. Es braucht keine Minusgrade um Kälte zu empfinden, der unterbrochene Schlafrhythmus tut das Seinige dazu. Auch im Sommer eine wärmende Schicht mehr über zu ziehen, ist absolut sinnvoll.

SK!PA - Präsenz

Der Führung am Schiff kommt besonders in der Nacht eine große Bedeutung zu. Dabei ist es gar nicht nötig, dass jemand immer anwesend ist. Jeder Mensch braucht den Schlaf und wenn man für die Menschen an Bord verantwortlich ist, sollte man schon möglichst fit sein. Schlafentzug und Leistung bringen, will trainiert sein (Christian Kargl im Lead & Sail Blog). Es reicht also vollkommen aus, wenn SK!PA die vereinbarten Regeln auch selbst einhält. Als wir um 0300 in der Nacht ein eigenartiges Gefühl hatten, weil die Genua ein paar höchst merkwürdige Bewegungen machte, hatten wir unseren Skipper geweckt. Es hat keine Minute gedauert, stand er aus dem Schlaf gerissen, mit einer Lampe bewaffnet, und mit dem Lifebelt einklickt an Deck. So etwas lässt Vertrauen wachsen.

6 Stunden später, 300 nm südwestlich von Madeira, gab das Fall dann auf, und wir waren in einer ganz anderen Situation. Damals entstand der Begriff "SHITUATION", aber das ist schon wieder eine andere Geschichte...

Conclusio - Jeder hat die Fähigkeiten

Eine geniale Overnight experience für alle Beteiligten, beginnt beim Teamleader. Je klarer, deutlicher und verlässlicher kommuniziert wird, desto besser ist das Wohlfühlen bei solch einem gemeinsamen Erlebnis. Je mehr Möglichkeiten den Menschen an Bord geboten wird sich zu entfalten und daraus einen Lernerfolg mit zu nehmen, desto intensiver ist das Erlebnis. Das braucht eine ordentliche Portion an Kenntnis und Wahrnehmung der anderen Personen an Bord. Das lässt sich trainieren. Jeder der eingeladen wurde mit an Bord zu sein, hat dazu die Fähigkeiten und jedes Crewmitglied kann Umsetzen - freiwillig.


Ich werde öfters mal gefragt aus welchem Grund das Segeln so gut geeignet ist, modernes Führungsverhalten zu trainieren, obwohl doch seit Jahrhunderten klar ist, dass nur einer das Sagen hat - der Captain. Das würde doch wohl krass im Gegensatz zur Reifeentwicklung von Menschen stehen (Systemische Reifeentwicklung >>).

Hieriachie - das ist kein Grund zu herrschen

Eine Antwort ist, dass Beides sein dürfen muss, weil Beides wichtig sein kann:

> wenn es eng wird und schwierig, dann kann es sehr sinnvoll sein, dass eine Person ausnahmslos die Ansagen macht. Ohne Widerrede, denn jegliche Diskussion würde eine Situation verschlimmern bzw. gefährlicher machen, > das bedeutet nicht, dass man das immer so handhaben muss.

Ich habe selbst erlebt, dass ein Kapitän eines Dreimasters (Alexander von Humboldt II auf dem es eine strenge Hierarchie gibt), bei den Besprechungen als Moderator fungiert hat, und gemeinsam mit seinen Verantwortlichen den Tag gestaltet hat. Es wurde jede Person gehört die einen Beitrag zu liefern hatte, und gemeinsam entschieden.

Menschen entwickeln sich weiter und brauchen einen anderen Umgang miteinander. Davon bleibt nach meiner festen Überzeugung ein SK!PA nicht ausgenommen. Im Gegenteil, ein moderner nach vorne orientierter Teamleiter (ein SK!PA ist das nun mal) wird aus Menschen nicht von oben herab sondern auf Augenhöhe begegnen ( Das mit den Werten>> ), und alle zur Verfügung stehenden Modelle nutzen um die Crewmitglieder dort abzuholen wo sie sich in ihrer Entwicklung befinden.

Gelingt das immer? Nein aber schon der Versuch alleine verändert Vieles zum Positiven - und das ist es allemal Wert sich weiter zu bilden und zu bemühen. Davon bin ich überzeugt!




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